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Die Bestattungskultur im Wandel der Zeit

Über viele Jahrhunderte haben sich in Deutschland die aus alter Tradition gewachsenen Bestattungsgepflogenheiten kaum geändert.

Zu Zeiten der Großfamilien, in die man hineingeboren wurde und in deren Obhut und Pflege man meist auch starb, fielen den Familienmitgliedern weitaus mehr Aufgaben bei der Bestattung eines Angehörigen zu als dies heute der Fall ist. Altersheime waren nur wenigen Begüterten vorbehalten, Krankenhäuser in erster Linie für Kranke da. Gestorben wurde zuhause, umgeben von Familienangehörigen und dort verblieb man auch, zumindest in ländlichen Gegenden, bis zum Tag der Beisetzung. Die Kirchenglocke läutete beim Tod, Nachbarn und Freunde kamen, um Abschied zu nehmen oder Totenwache zu halten.

Der Verstorbene wurde von der Familie gewaschen und angekleidet, der Schreiner lieferte den Sarg und um alle mit dem Tod zusammenhängende Formalitäten hatte man sich selbst zu kümmern. Lediglich in größeren Städten war man schon etwas weiter. Die Stadt stellte Leichenfrauen, sorgte für die Abholung des Toten und städtische Totengräber schaufelten das Grab. Aber auch hier hatten sich Familienangehörige um die Formalitäten zu kümmern, die Blumendekoration zu bestellen und eine Todesanzeige aufzugeben. Abhängig von der finanziellen Situation erfolgte die Beerdigung in drei Klassen.

Diese Bestattungsformen und -bräuche hielten sich durch die Kriegsjahre bis etwa1950, also bis zu der Zeit, in der es in Deutschland allgemein wieder aufwärts ging. Mit zunehmendem Wohlstand änderten sich auch die Ansprüche der Hinterbliebenen bis hin zur möglichst umfassenden Übernahme aller mit einem Trauerfall verbundenen Tätigkeiten durch eine einzige Institution. Dadurch wurde die Schaffung eines Berufes, den es in dieser Form bisher noch nicht oder nur in einigen Großstädten gegeben hat, wesentlich gefördert.

Aus dem Totengräber, dem Schreiner, dem Floristen und dem städtischen Bestattungsdienst entstand ein Berufszweig, der die Tätigkeiten der genannten Berufe zusammenfasste. Zunächst gab es keine Ausbildung zum Bestatter (jeder konnte diese Tätigkeit übernehmen). Mit zunehmender Erweiterung der Angebotspalette um weitere Dienstleistungen wurde eine Ausbildung zwingend notwendig. Heute werden Bestattungsunternehmen meist von fachgeprüften Bestattern oder Bestattermeistern nach modernen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Prinzipien geführt. Sie sind entsprechend geschult und nehmen den Hinterbliebenen nahezu alle Tätigkeiten und Gänge ab, die im Zusammenhang mit einem Todesfall entstehen können.

Soweit eine Gegenüberstellung zwischen den weitgehend familienorganisierten Bestattungen früherer Jahre und den Bestattungen, wie sie heutzutage stattfinden und bei denen man sich weites gehend der Hilfe professioneller Bestatter versichert.

Hierbei blieb jedoch unerwähnt, dass sich im Laufe der Jahre im Vorfeld eines Sterbefalls und danach bei der Bestattung -bezüglich der Einstellung der Menschen- eine gewaltige Änderung besonders in den Städten vollzogen hat. Während man auf dem Lande bei den Trauerriten und Bestattungsgepflogenheiten noch stark traditionell vorgeht, hat sich in den Städten und vor allem in den Großstädten ein starker Wandel in der Bestattungskulturvollzogen. Hier sind Bestattungsriten oft nur leere Hüllen und sie drohen zunehmend wegzubrechen. Dies ist nicht nur durch den Verlust religiöser Überzeugungen, sondern auch durch die gesellschaftlichen Tendenzen der Vereinsamung und Anonymisierung begründet. Hier sterben heute fast 90% der Menschen in einer Klinik. Oft werden Schwerkranke noch im letzten Moment ins Krankenhaus gebracht und dort sterben sie meist einsam, allein gelassen. Man muss den Eindruck gewinnen, als ob die heutige Gesellschaft auf nichts mehr Kraft verschwendet als auf die Verdrängung des Todes.

Die traditionelle Großfamilie mit ihren emotionalen Bindungen gibt es praktisch nicht mehr. Die Familie ist in alle Winde zerstreut – unsere Gesellschaft lebt von dieser Mobilität – und eine lokale Gemeinschaft wie auf dem Dorf gibt es nicht. Wer kennt schon die Leute in seiner Straße. Häufig kennt man nicht einmal die übrigen Bewohner des eigenen Hauses. Durch die höhere Mobilität verlieren die familiären Bande an Kraft und durch die Anonymität der Großstadt sinkt die Notwendigkeit, traditionelle Konventionen anzuwenden.

Der geringe soziale Druck und die emotionale Distanz sind die Rahmenbedingungen, die den Angehörigen ermöglichen, bei einer Bestattung nicht in erster Linie einen standesgemäßen Abschied vom Verstorbenen anzustreben, sondern die möglichst kostengünstige Alternative. (Bei den enorm hohen Preisen der Großstädte für Trauerfeier und Grab fast schon wieder verständlich).

Der Tod wird häufig nicht mehr als Übergang, sondern als Ende verstanden. Der Körper ist nur mehr eine wertlose Hülle und zwar sofort nach dem Todeseintritt. Schnelle Beseitigung dieser Hülle wird erwünscht. Das Verdrängen des Todes als Erfahrung unserer Gesellschaft ist auch das Verdrängen unserer Religion. In Berlin werden zum Beispiel 40% der Verstorbenen ohne Pfarrer beigesetzt. Tendenz steigend!

Die Beisetzungen erfolgen im 45-Minutenrythmus. Vor der Trauerhalle steht schon die nächste Gruppe, unweit des Grabes warten ungeduldig die Friedhofsarbeiter mit dem Bagger, die Trauergemeinde - oft nur ein paar Personen – zerstreut sich schnell und mit dem Ablegen der Krawatte geht man zum Alltag über.

In unserer schnelllebigen Zeit sind nahezu alle Lebensbereiche ständigen Änderungen unterworfen. Schlagworte wie „modern“, „neu“ oder „in“ prägen die Einstellung der Menschen. Eine hemmungslose Anbetung des ewig jugendlichen durch den Markt, hat zur Folge, dass Begriffe wie „Alter“, „Tod“ und „Trauer“ in den Hintergrund gedrängt werden, ja geradezu unnötigen, überflüssigen Themen, zu Tabuthemen werden, die  man am liebsten totschweigen würde.

Die Bestattungskultur hat sich gewandelt. Sie hat sich nicht zum besseren gewandelt, denn die Hektik unserer Tage schlägt sich auch im Bestattungswesen nieder! Was würde wohl der griechische Staatsmann Perikles dazu sagen, der schon 500 Jahre vor Christus die Behauptung aufstellte:

„Ein Volk wird daran gemessen, wie es seine Toten bestattet“

Perikles